Illuminatendecke in der Hohen Schule

Aus Stadt Ingolstadt Stadtgeschichtslexikon

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Beitrag von Maximilian Wöhrl

Die Illuminatendecke in der Hohen Schule in Ingolstadt ist ein barockes Deckengemälde und steht entgegen ihres Namens nicht mit dem Illuminatenorden in Verbindung.

Geschichte

Entgegen ihres Namens entstand die von Prof. Dr. Johann Adam Morasch in Auftrag gegebene Illuminatendecke in der Hohen Schule mehrere Jahrzehnte bevor der Orden der Illuminaten am 1. Mai 1776 vom Ingolstädter Professor Adam Weishaupt ins Leben gerufen wurde.[1] Tatsächlich befand sich die Stuckdecke zunächst nicht in der Hohen Schule, sondern im Hintergebäude eines Anwesens in der Theresienstraße 23.[2] Der Mediziner Morasch richtete in ebenjenem Hintergebäude, das ihm ab 1719 mitsamt dem Anwesen gehörte, einen Saal für medizinische Privatvorlesungen ein. In diesem Vorlesungssaal ließ er die Stuckdecke einbauen. Hierbei handelte es sich um den Raum, den die Illuminaten ein halbes Jahrhundert später anmieteten, um sich dort zu treffen und Versammlungen abzuhalten. Die Illuminatendecke zog erst etwa 150 Jahre nach Verbot des Ordens in die Hohe Schule um, wo sie sich noch heute befindet.[3] Zwischenzeitlich stand das Gebäude in der Theresienstraße leer, wurde später als Speicher, dann als Druckerei und schließlich als Schusterwerkstatt genutzt, während das frühbarocke Werk immer weiter verblasste.[4]

Da man die frühbarocke Entstehungszeit zunächst nicht erkannte, ging man auch nach 1945 davon aus, dass die Malerei und die Stuckgestaltung von den Illuminaten in Auftrag gegeben worden waren und die Decke folglich zur Zeit des Ordens entstanden sein musste. Dies hing vermutlich mit dem schlechten Zustand zusammen, in dem sich das Gemälde zu diesem Zeitpunkt befand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts – das genaue Datum ist nicht bekannt – wurde das sich in der Mitte der Decke befindliche Gemälde zudem restauriert und überarbeitet. Den ursprünglichen Zustand dokumentiert vermutlich eine Tuschezeichnung des Dresdner Malers Oskar Rothe von 1903.[5]

Insgesamt zog die Decke dreimal zwischen Theresienstraße und Hoher Schule hin und her, bevor sie schließlich in der Hohen Schule verblieb. 1907 wurde das Hintergebäude zu einer Synagoge mit Betsaal umfunktioniert. Im Zuge der Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung in der Reichspogromnacht am 10. November 1938 wurde das Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen und die Synagoge zerstört. Der neue Besitzer wollte die Synagoge daraufhin zu einem Wohnraum umgestalten, bekam jedoch aufgrund der unversehrt gebliebenen Stuckdecke von den Denkmalpflegern der Stadt Steine in den Weg gelegt. Um dies zu umgehen, stiftete er die Decke der Stadt Ingolstadt, welche sie 1942 in zwölf Teile zersägen ließ und in die Hohe Schule umsiedelte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sollte die Synagoge restauriert werden, weshalb die Decke wieder in die Theresienstraße gebracht wurde. Der involvierte Rabbiner war jedoch der Überzeugung, dass die bildliche Ausgestaltung der Stuckdecke nicht mit dem jüdischen Kult vereinbar sei, was zur Folge hatte, dass sie erneut in die Hohe Schule gebracht wurde. Im Zuge der Sanierung der Hohen Schule in den 1990er Jahren übertünchte man das Mittelbild der Illuminatendecke.[6]

Gestaltung

Illuminatendecke, 1903 (Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt/Stadtarchiv, Graph II/36 a, kolorierte Tuschzeichnung von Oskar Rothe).

Die gesamte Decke weist die Maße von ca. 8 x 6 Meter auf. In ihrer Mitte befindet sich ein hochrechteckiges Gemälde, das von Stuckdekorationen umgeben ist. Die Stuckverzierungen setzen sich aus Laub- und Bandlwerk mit Lambrequins, Schabracken, Fantasiegebilden und Mischwesen zusammen. In den Achsen der Decke finden sich acht ovale Ornamente mit diversen Szenenbildnissen. Die Ovale in den Mittelachsen bilden je ein Paar, die Ovale der Querachsen ein Quartett. Die beiden Ovale in der Mittelachse zeigen Sinnbilder und sind von Vogeldarstellungen gekrönt. Im unteren Mittelachsen-Medaillon befindet sich eine Nasenschleiferszene und der darüber gelegene Vogel ist eine Darstellung des „Vogel Selbsterkenntnis“.[7] Das Oval oberhalb des Mittelbildes beinhaltet einen sitzenden Professor, gekleidet in einen Talar, mit drei Tieren. Bei den Tieren handelt es sich um eine auf dem Schoß des Professors sitzende Katze, einen Hund, den er füttert, sowie einen weiteren Hund, der aus einem Trog frisst. Über dem Medaillon findet sich ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen.[8]

Die Darstellung des Professors und seiner Tiere ist einem emblematischen Handbuch entlehnt und etwas abgewandelt worden, um die vom Auftraggeber gewünschte Symbolisierung der Freiheit der Lehre in den Vordergrund zu rücken.[9] Während der Nasenschleifer und der „Vogel Selbsterkenntnis“ dazu auffordern, sich auf sich selbst zu konzentrieren und seine Nase nicht in die Angelegenheiten anderer zu stecken, versinnbildlichen der Professor und der Adler – der für Werte wie Tapferkeit, Kraft, Stolz, Ausdauer und Scharfsichtigkeit steht – die Freiheit, Liebe und Tugend. Damit verdeutlichen die sich gegenüberliegenden Darstellungen die intendierte Grundaussage der Stuckdecke.[10]

In den Ecken der Decke befindet sich je ein rundes Ornament mit einer weiblichen Figur, deren Attribute vermuten lassen, dass es sich um Personifikationen handelt. Die Bedeutung der beiden runden Ornamente auf Seiten des Professors ist klar ersichtlich: Links findet sich die Verkörperung der Tapferkeit (Fortitudo), während die Dame auf der rechten Seite die Gerechtigkeit (Justitia) symbolisiert. Bei den vier runden Verzierungen in den Ecken der Decke handelt es sich demnach vermutlich um die vier Kardinaltugenden, komplettiert durch die Klugheit (Prudentia) und die Mäßigung (Temperantia) auf Seiten der Nasenschleiferszene. Die beiden querovalen Medaillons links und rechts des Mittelbildes zeigen zwei Putten bei der Vogeljagd und einen bei der Fruchternte und haben wohl eine rein dekorative Bedeutung.[11]

Da das hochrechteckige Mittelbild der Illuminatendecke übermalt wurde und im Laufe der Zeit immer wieder Veränderungen und Restaurierungen unterworfen war, kann man ihre einstmalige Gestalt nur anhand einer Tuschezeichnung von bzw. vor 1903 sowie eines sich im Stadtarchiv Ingolstadt befindlichen historischen Fotos, das die Decke noch in der Theresienstraße zeigt, nachvollziehen.[12] Auf besagtem Foto kann man erkennen, dass das Gemälde in der oberen Hälfte eine Versammlung von halbnackten und bekleideten Personen im Himmel zeigt, die auf einer Wolkenbank sitzen. Zu erkennen sind die Götter Mars, Neptun und Saturn anhand ihrer typischen Insignien: Lanze, Dreizack und Sense. Über diesen befindet sich auf einer Wolke der gekrönte Jupiter mit Zepter, Blitzspeeren und einem Schwan. Unter den Wolken entfaltet sich eine Küstenlandschaft, wobei das Meer den größten Teil einnimmt. Im Wasser befinden sich Mischwesen, die einen menschlichen Oberkörper und den Unterleib von Fischen aufweisen und Muschelhörner blasen. Bei den Wesen handelt es sich um sogenannte Tritonen (männlich) und Nereiden (weiblich). Links im Bild erkennt man einen felsigen Küstenstreifen mit einem Baum.[13]

Fußnoten

  1. Grimminger (2009), S. 306.
  2. Ebd.
  3. Ebd.
  4. Donaukurier (2015).
  5. Grimminger (2009), S. 308.
  6. Ebd., S. 310.
  7. Ebd., S. 314.
  8. Ebd., S. 322.
  9. Ebd., S. 324.
  10. Ebd.
  11. Ebd.
  12. Ebd., S. 308.
  13. Ebd.

Literatur

  • Donaukurier: Mit den Illuminaten unter einer Decke. In der Hohen Schule gibt eine bemerkenswerte Stuckdekoration Rätsel auf. In: Donaukurier. Online verfügbar unter https://www.donaukurier.de/archiv/mit-den-illuminaten-unter-einer-decke-4113568. Publiziert am 19.01.2015. Ingolstadt 2015. Zuletzt geprüft am 08.10.2023.
  • Grimminger, Christina: Der Medizinprofessor Johann Adam Morasch und die Bilderwelt der „Illuminatendecke“ in der Hohen Schule zu Ingolstadt. Barocke Sinnbildsprache statt aufgeklärte Geheimzeichen. In: Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt (118). Ingolstadt 2009, S.305-326.

Empfohlene Zitierweise

Wöhrl, Maximilian: Illuminatendecke in der Hohen Schule. Hrsg. v. Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt. 2024 (Stadtgeschichtslexikon). Online verfügbar unter https://stadtgeschichtslexikon.ingolstadt.de/wiki/Illuminatendecke_in_der_Hohen_Schule (Version vom 14.06.2024), zuletzt geprüft am 06.12.2025.

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