Bernstein-Collier

Aus Stadt Ingolstadt Stadtgeschichtslexikon

Das Bernstein-Collier von Ingolstadt

Beitrag von Gerd Riedel

Alle Epochen der Vor- und Frühgeschichte haben im Raum Ingolstadt herausragende Zeugnisse hinterlassen. Einen besonderen Akzent setzt das Stadtmuseum mit dem einzigartigen, mehr als 3000 Jahre alten Bernstein-Collier von Ingolstadt. Es gilt als der prächtigste Bernsteinschmuck Alteuropas und gibt der Wissenschaft noch heute Rätsel auf.[1]

Das Bernstein-Collier

Bernstein war begehrtes Fernhandelsgut. Das Collier besteht aus etwa 2700 Perlen und mindestens neun Schiebern, die die Perlenstränge ordnen. Eine Halskette aus 87 großen Perlen und zwei verzierte Bronzespiralen, sogenannte Beinbergen, kommen hinzu. Die Schmuckstücke aus baltischem Bernstein wurden gemeinsam in einem schlichten Tongefäß deponiert und am Ufer des Augrabens, einem Bach nördlich von Ingolstadt, vor etwa 3400 Jahren[2] vergraben.

Der Schmuck aus baltischem Bernstein wurde nur selten, vielleicht nie getragen. Das Fehlen prunkvoller Bestattungen im süddeutschen Raum zu dieser Zeit macht Privatbesitz unwahrscheinlich. Ob er als Opfer oder als Schatz am Ufer des Baches Augraben der Erde übergeben wurde, bleibt ungeklärt.

Die Fundgeschichte

Im Frühjahr 1996 machte die Erneuerung eines Stellplatzes auf dem Gelände der AUDI AG im Norden Ingolstadt großflächige Erdarbeiten notwendig.[3] Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege unter der Leitung von Karl Heinz Rieder und der Automobilkonzern ermöglichten die flächendeckende archäologische Begleitung der Baumaßnahmen auf etwa 2,5 Hektar.

Das unscheinbare Gefäß mit seinem sensationellen Inhalt wäre ohne dieses umsichtige Vorgehen zweifellos verloren gegangen. Schon früher war die Denkmalpflege auf das Gelände der AUDI AG aufmerksam geworden, beispielsweise durch den Fund von filigran verzierten Bronzedolchen. Die seltenen Zierwaffen sind ebenfalls im Stadtmuseum Ingolstadt ausgestellt.[4]

Die Rekonstruktion des Halsschmucks

Im Stadtmuseum kann nur ein Vorschlag präsentiert werden, wie die Perlen zu Schmuckstücken kombiniert gewesen sein könnten. Denn es eröffnen sich eine Reihe von Möglichkeiten.[5] Dennoch kann den Besucherinnen und Besuchern des Museums eine Vorstellung von der einmaligen Pracht vermittelt werden.

Die großen Perlen mit mehr als 12mm Durchmesser bildeten wohl eine Kette aus 87 Perlen. Die größte Perle mit 53mm Durchmesser dürfte an zentraler Stelle positioniert gewesen sein. In ihrer Mehrzahl sind die Perlen doppelkonisch gestaltet, sodass sich eine elliptische Form der rekonstruierten Halskette ergibt. Fotos der Grabungsdokumentation und zahlreiche vergleichbare Ketten aus Gräbern unterstützen diesen Vorschlag.

2123 kleine Bernsteinperlen sind erhalten geblieben, dazu Fragmente von weiteren ca. 590 Perlen. Sie dürften symmetrisch beiderseits des größten Bernsteinschiebers mit 7,1 cm Länge angeordnet gewesen sein. Mit seinen 17 Querbohrungen zur Aufnahme der Perlenschnüre ist er ohne Vergleich. Er und die übrigen acht Bernsteinschieber lassen sich am ehesten in die jüngere Mittelbronzezeit einordnen.

Wahrscheinlich wurde nur jede zweite Bohrung des großen Schiebers belegt, sodass die Perlenstränge auf einer Ebene arrangiert werden konnten. Die „leeren“ Bohrungen hätten dann dekorativen Zwecken gedient. Wie das sehr lange Collier getragen worden wäre, lässt sich nicht rekonstruieren. Seine Herstellung dürfte zwei bis drei Wochen in Anspruch genommen haben.[6]

Eine Gabe an die Götter?

Bis auf sehr wenige Ausnahmen sind alle Bernstein-Colliers der Mittelbronzezeit in Gräbern niedergelegt worden. Die Deponierung von Ingolstadt ist daher außergewöhnlich und entsprechend schwer zu erklären. Der Bernsteinschmuck war sicher keine Handelsware. Somit erscheint eine Deutung in kultischem Zusammenhang am naheliegendsten, etwa als Opfergabe. Der Fundort Ingolstadt erklärt sich auch aus der großen Bedeutung der nahen Donau als europäischem Verkehrsweg.[7]

Fußnoten

  1. Bankus (1998), S. 35.
  2. Ebd., S. 29.
  3. Rieder (1998), S. 9-11.
  4. Hofmann; Treffer (1988), S. 34.
  5. Bankus (1998), S. 25-31.
  6. Bach (1998), S. 49.
  7. Bankus (1998), S. 35.

Quellen

Archäologische Ausgrabungen. Zentrum Stadtgeschichte A6161

Literatur

  • Bach, Detlev: Technologische und konservatorische Details zum Bernstein- und Bronzefund aus Ingolstadt. In: Stadt Ingolstadt (Hrsg), Das Geheimnis des Bernstein-Colliers, Ingolstadt 1998, S. 43-49.
  • Bankus, Mark: Fremdes Gut in Ingoladt. Jüngermittelbronzezeitlicher Bronze- und Bernsteinschmuck aus einer Mehrstückdeponierung. In: Stadt Ingolstadt (Hrsg), Das Geheimnis des Bernstein-Colliers, Ingolstadt 1998, S. 19-42.
  • Hofmann, Siegfried; Treffer, Gerd: Stadtmuseum Ingolstadt. Braunschweig 1988.
  • Rieder, Karl Heinz: Lohn der Konsequenz – Sternstunde der Archäologie – Quellen der Erkenntnis – Zugewinn der Gesellschaft. In: Stadt Ingolstadt (Hrsg), Das Geheimnis des Bernstein-Colliers, Ingolstadt 1998, S. 9-18.

Empfohlene Zitierweise

Riedel, Gerd: Bernstein-Collier. Hrsg. v. Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt. 2023 (Stadtgeschichtslexikon). Online verfügbar unter https://stadtgeschichtslexikon.ingolstadt.de/wiki/Bernstein-Collier (Version vom 30.10.2023), zuletzt geprüft am 08.12.2025.

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