Lepanto-Monstranz
Beitrag von Maximilian Wöhrl
Die Ingolstädter Lepanto-Monstranz ist eines der prominentesten und einzigartigsten Kunstwerke der barocken Goldschmiedekunst. Sie wurde im Jahre 1708 vom Augsburger Goldschmied Johann Zeckel für die „Bürgerkongregation Maria vom Sieg“ gefertigt und befindet sich heute in der Sakristei der Kirche Maria de Victoria in Ingolstadt.
Geschichte

Entgegen der Mitglieder der „Bürgerkongregation Maria vom Sieg“ (Maria de Victoria) setzten sich die Ingolstädter Jesuiten für die Beauftragung des Augsburger Goldschmieds Johann Zeckel mit der Anfertigung einer Monstranz ein.[1] Sogenannte Strahlen- oder Sonnenmonstranzen gehörten im 17. und 18. Jahrhundert zu den Hauptexportartikeln der Reichsstadt Augsburg.[2] Das bildliche Thema dieser für Ingolstadt angefertigten Monstranz war die Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571, in der die Flotte der „Heiligen Liga“ der alliierten christlichen Mächte der türkischen Flotte innerhalb von vier Stunden eine verheerende Niederlage beibrachte.[3] Dieser Sieg, der die europäische Vormachtstellung im Mittelmeer sicherte, wurde als religiöses Wunder gedeutet und strahlte über das 16. Jahrhundert hinaus.[4] Zur persönlichen Schutzpatronin Ingolstadts wurde Maria de Victoria im Jahr 1632, als die Stadt den Schwedenkönig Gustav Adolf erfolgreich abwehrte – ein Symbolbild des Sieges über den protestantischen Irrglauben.[5]
Direkter Auftraggeber der Lepanto-Monstranz war die Bürgerkongregation Maria vom Sieg. Auch wenn die Kongregation hauptsächlich von der Ingolstädter Bürgerschaft geprägt wurde, so ist der große Einfluss der Jesuiten auf die Organisation nicht von der Hand zu weisen. Dabei stellten die Jesuiten nur ein Amt innerhalb der Kongregation – den Präses. Grundlage dieser Machtverhältnisse war wohl die Tatsache, dass alle marianischen Kongregationen jesuitische Einrichtungen und jesuitisches Instrument waren.[6]
Der Herstellungsprozess der Monstranz wurde daher akribisch von den Jesuiten überwacht und begleitet, was neben der theologischen Intention hinter der Anfertigung auch auf einen propagandistischen Anspruch schließen lässt.[7] Die Quellen zeigen, dass neben Zeckel ein Graveur, ein Bildhauer, ein Maler sowie ein Emailleur an der Monstranz arbeiteten.[8]
Aussehen
Die Ingolstädter Lepanto-Monstranz ist eine barocke Strahlenmonstranz mit einer ovalen, 73 cm hohen und 53 cm breiten Schaufläche. Sie ist 123 cm hoch und ca. 18 kg schwer.[9]
Tragegestell
Das originale Traggestell ist nicht mehr vorhanden, da die Bürgerkongregation während der Säkularisation im Jahr 1800 viele ihrer Schätze abgeben musste. Ursprünglich bestand das Tragegestell aus einem aus Gold gegossenen, knienden und mit Perlen besetzten Türken. Es folgte ein provisorisches Gestell, welches im Jahr 1892 durch einen vergoldeten Silberguss ersetzt wurde, der bis heute das Traggestell der Monstranz darstellt. Es ist oval, 40 cm breit und fast genauso hoch.[10] Die äußeren Enden der Fußplatte weisen polierte, nach außen gewölbte Ausbuchtungen mit Inschriften auf, die den Sieg der Schlacht von Lepanto bilanzieren. Rechts des Schaftes steht zu lesen: „Türkenniederlage anno 1571 7.Oktober und Türken tott 30000.“ und links des Schaftes finden sich die Worte: „Christen erlöset 3486 und Schiffe erobert 190 Stucke“.[11] Der Schaft ist mit Akanthusblättern verziert und weist eine knotenförmige Verdickung – Nodus genannt – auf, die von einer perlenkettenförmigen Leiste umgeben ist. Darüber befindet sich Rankenwerk mit verborgenen Engelsköpfen. Insgesamt vereint das Gestell mehrere Stilepochen.[12]
Schaufläche und Dekorationsschleier
Die Schaufläche, die durch zahlreiche figürliche Darstellungen aus Silber geschmückt ist und in deren Mitte man das aus Kristall und Glas bestehende Herzstück der Monstranz sehen kann, wird von einem vergoldeten Strahlenkranz aus Messing umrahmt. Gekrönt wird sie nicht wie für derartige Monstranzen üblich von einem Kruzifix, sondern von vier rechtwinklig zueinanderstehenden, spiralförmigen Einrollungen (Voluten), die sich entgegen dem Uhrzeigersinn aufrollen und die von Strahlen umrahmt werden. So werden Assoziationen einer Kreuzblume oder Sonne geweckt.[13]

Die Darstellungen der Schlacht von Lepanto wurden durch Silberverschraubungen an der vergoldeten Schaufläche angebracht. Zu sehen sind sinkende türkische Schiffe mit mehreren Schiffsmasten samt Takelage und zerrissenen Segeln. Dahinter Schiffe der christlichen Liga, die sich aufgrund ihrer goldenen Farbe von den silbernen Türkenschiffen abheben. Die ganze Szenerie besteht aus vier übereinander gelagerten Ebenen. Die erste Ebene besteht aus silbernen türkischen Trophäen am unteren Rand der Schaufläche, dahinter ein sinkendes türkisches Schiff. Der goldene Rumpf des christlichen Schiffes bildet die dritte Schicht. Die vierte Ebene zeigt vier Mastbäume, die Takelage und Wolken in Silber.[14] Der Takelage und den Wolken aufgesetzt sind 18 gleichmäßig verteilte Engel. Vier davon schleudern Blitze und tragen Wappenschilde, neun schleudern lediglich Blitze. Die restlichen fünf verschießen Pfeile. Die Engel sind an ca. 3 cm langen Spiralfedern angebracht, sodass die Figürchen in flirrende Bewegung geraten, wenn die Monstranz bewegt wird.[15]
Rechts des zentralen Schaugefäßes ist eine goldene Marienfigur zu sehen, die auf einer Bank aus Wolken thront und mit einem Zepter auf das Kriegsgeschehen deutet, direkt auf ein Christenschiff, welches das Gesicht von Papst Pius V. zeigt. Darunter sind drei mit Edelsteinen besetzte Broschen angebracht. Sie ist von Strahlenbündeln umgeben, von denen jedes mit einem Rubin versehen ist, und ihr Haupt wird von einer Krone sowie zehn darüber fliegenden kleinen Sternen geschmückt. Auf ihrer Brust befindet sich ein Brillant, der Gürtel besteht aus Rubinen.[16]
Links des Schaugefäßes befindet sich eine Figur des Erzengels Michael, die auf einer kleinen Wolke kniet und etwas höher als die Mutter Gottes platziert ist. Auch darunter befinden sich drei mit Edelsteinen versehene Broschen. In der Linken hält er einen Lorbeerkranz, ein Zeichen des Sieges, mit dem er die gegenüberliegende Maria scheint krönen zu wollen. Der Lorbeerkranz weist einen Silberstreifen auf, auf dem der Schriftzug „Victrici“ – „Der Siegreichen“ – zu lesen ist. In der Rechten hält der Erzengel einen Schild mit der Aufschrift „Quis ut Deus?“ – „Wer ist wie Gott?“ – die lateinische Übersetzung des hebräischen Namens Michael. Zudem lehnt ein Kreuzstab an seiner rechten Schulter. Der Kopf wird von einer Binde mit eingestecktem Kreuz geschmückt sowie von einem Heiligenschein umrahmt. Auch seine Brust ziert ein Brillant.[17]
Schaugefäß
Das Schaugefäß ist prominent in der Mitte der Schaufläche platziert und bildet das Herzstück der Monstranz. Sie ist von einem silbernen Wolkenkranz umgeben, dessen Form entfernt an ein Herz erinnert. In den Wolken befinden sich Engelsköpfchen, sogenannte Puttenköpfe, von denen manche Blitze schleudern. Durch die Wolken dringen 36 Strahlenbündel, die wie eine Sonnenumrahmung des Allerheiligsten, der Hostie, wirken, welche im Schaugefäß platziert werden kann. Hinzu kommen 18 Broschen, in denen Rubine und Granate gefasst sind. Das Schaugefäß selbst bestand ursprünglich aus zwei Bergkristallscheiben, von denen die vordere später durch Glas ersetzt wurde. Der edelsteinbesetzte, sichelförmige Halbmond, auf dem die Hostie platziert wird, ist aus Platin gefertigt. Er wird von Engelsköpfen getragen.[18]
Motive und Symbolik
Die Lepanto-Monstranz weist einige Motive auf, die einerseits von der Seeschlacht von Lepanto inspiriert, andererseits klassischen christlichen Bilddarstellungen entlehnt sind.
Christus
Das Zentrum der Monstranz bildet das Schaugefäß, in welchem die Hostie ikonographisch und ikonologisch als Anwesenheit Christus in der Eucharistie symbolisiert wird.[19] Es ist am mittleren Mast angefügt und stellt eine Verbildlichung des gekreuzigten Jesu dar.[20]
Seeschlacht

Die Seeschlacht von Lepanto ist das dominierende Motiv der Monstranz und symbolisiert den Sieg der Heiligen Liga unter Papst Pius V. in Allianz mit Spanien und Venedig über die Türken am 7. Oktober 1571.[21]
Schiffsmetapher
Die Metapher des Schiffes als bildliche Darstellung einer Kirche, Raum der Rettung und des Heils, ist ein gängiges Kirchenmotiv, welches auch auf der Lepanto-Monstranz Verwendung findet.[22]
Erzengel Michael
Der kriegerische Erzengel Michael wird hier als himmlischer Helfer und als Patron der Jesuiten in Szene gesetzt. Mit der Gründung des Jesuitenordens in Bayern wurde er zum Schutzpatron Bayerns und später zum Symbol der Gegenreformation.[23]
Maria de Victoria
Die Heilige Maria repräsentiert in diesem Zusammenhang nicht nur die Mutter Gottes, sondern auch die siegreiche Heerführerin und Beschützerin der Christenheit gegen den Irrglauben. Ihre Verehrung als Maria de Victoria war gerade im süddeutschen Raum weit verbreitet. In Ingolstadt wurde sie aufgrund des Sieges von Lepanto verehrt, aber auch als Helferin während Krisenzeiten wie dem Dreißigjährigen Krieg oder als Beschützerin vor den Türken während der osmanischen Expansionskriege im 17. Jahrhundert.[24]
Diamant
Die Heilige Maria und der Erzengel Michael tragen beide einen Brillanten auf der Brust. Der Diamant symbolisiert in der christlichen Glaubenswelt Härte und die Unbezwingbarkeit Christi.[25]
Fußnoten
- ↑ Kieser (1998), S. 187.
- ↑ Schommers (2008), S. 134.
- ↑ Aichner (2008), S. 41.
- ↑ Kieser (1998), S. 67.
- ↑ Ebd., S. 40.
- ↑ Ebd., S. 42.
- ↑ Ebd., S. 187.
- ↑ Ebd.
- ↑ Ebd., S. 21.
- ↑ Ebd.
- ↑ Ebd.
- ↑ Ebd., S. 22.
- ↑ Ebd., S. 22f.
- ↑ Ebd., S. 24ff.
- ↑ Ebd., S. 31.
- ↑ Ebd., S. 31f.
- ↑ Ebd., S. 32.
- ↑ Ebd., S. 23f.
- ↑ Wipfler (2008), S. 96.
- ↑ Ebd., S. 96.
- ↑ Ebd., S. 96f.
- ↑ Ebd., S. 102.
- ↑ Ebd., S. 106.
- ↑ Ebd., S. 108.
- ↑ Ebd., S. 109.
Literatur
- Aichner, Ernst: Die Seeschlacht von Lepanto – Sonntag, 7. Oktober 1571. In: Haub, Rita; Wittmann, Doris (Hrsg.): Die Lepanto-Monstranz. in Maria de Victoria in Ingolstadt. Ingolstadt 2008.
- Kieser, Clemens: Die Memorialmonstranzen von Ingolstadt und Klosterneuburg. Studie zur Ikonologie der barocken Goldschmiedekunst. Tübingen 1998.
- Schommers, Annette: Der Goldschmied Johann Zeckel – Leben und Werk. In: Haub, Rita; Wittmann, Doris (Hrsg.): Die Lepanto-Monstranz. in Maria de Victoria in Ingolstadt. Ingolstadt 2008.
- Wipfler, Esther: Zur Ikonographie der Lepanto-Monstranz. In: Haub, Rita; Wittmann, Doris (Hrsg.): Die Lepanto-Monstranz. in Maria de Victoria in Ingolstadt. Ingolstadt 2008.
Empfohlene Zitierweise
Wöhrl, Maximilian: Lepanto-Monstranz. Hrsg. v. Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt. 2024 (Stadtgeschichtslexikon). Online verfügbar unter https://stadtgeschichtslexikon.ingolstadt.de/wiki/Lepanto-Monstranz (Version vom 13.05.2024), zuletzt geprüft am 08.12.2025.