Melchior Puchner

Aus Stadt Ingolstadt Stadtgeschichtslexikon

Abb. 1: Melchior Puchner, „Mariä Heimsuchung“, lavierte Federzeichnung, 1737 oder früher, Privatbesitz (Vorderseite)

Melchior Puchner - eine neu entdeckte Entwurfszeichnung

Beitrag von Markus Bauer

Melchior Puchner (* 6. Januar 1695 in Schongau; † 12. September 1758 in Ingolstadt) gehört zu den großen Malern und Stukkateuren des Barock.

Melchior Puchner in Ingolstadt

Im Jahr 1721 ließ sich der 1695 in Schongau geborene Melchior Puchner (Buchner) als „akademischer Maler“ in Ingolstadt nieder[1]. Seine Haupttätigkeit bestand in der Freskenmalerei, untergeordnet auch in der Ölmalerei. Zudem haben sich einige Entwurfszeichnungen aus Puchners Hand erhalten.

In Ingolstadt selbst zeugen heute noch Deckenfresken in der Heiliggeist-Kirche (um 1730), in der Franziskanerkirche (1740/41) und im Saal der Alten Anatomie (um 1735/40) sowie Ölbilder in Maria de Victoria und in der Franziskanerkirche von Puchners umfangreichem Schaffen. Auch in der näheren und weiteren Umgebung finden sich zahlreiche Werke, die sicher von ihm stammen oder ihm aus stilistischen Gründen zugeordnet werden können.

St. Martin in Fischbachau

Zu nennen sind hier beispielsweise Deckenfresken in den Dorfkirchen von Etting (um 1727) und Zuchering (1723), ferner die umfangreicheren Freskenzyklen in der Klosterkirche von Geisenfeld (1728), in der Stadtpfarrkirche von Hilpoltstein (um 1733) und in der Kirche von Gosseltshausen (1752). Im Auftrag des Benediktinerklosters Scheyern malte Puchner unter anderem in der Kirche von Bayrischzell (1737) und in der ehemaligen Propsteikirche St. Martin in Fischbachau.[2]

Die 1737/38 entstandene Freskenausstattung in Fischbachau zählt mit ihren insgesamt 87 Bildfeldern zu den Hauptwerken Puchners. So zeigen die Decken des Mittelschiffs sowie des nördlichen Seitenschiffs Bildprogramme zum hl. Martin von Tours und zum Benediktinerorden, während sich im südlichen Seitenschiff ein Zyklus zu den Rosenkranzgeheimnissen befindet.[3]

Abb. 2: Melchior Puchner, Fresko „Mariä Heimsuchung“, Fischbachau (Kirche St. Martin), 1737/38

Neu entdeckte Zeichnung Melchior Puchners

Vor kurzem konnte nun eine unsignierte Zeichnung (Abb. 1) aus einer Privatsammlung als Entwurf für Puchners Fresko „Mariä Heimsuchung“ (Abb. 2) in Fischbachau identifiziert werden. Das Fresko verbildlicht im dortigen Rosenkranz-Zyklus das zweite Geheimnis aus dem Freudenreichen Rosenkranz: „Den du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast“.[4]

Bei dem Entwurf handelt sich um eine lavierte, 22 x 19,3 cm messende Federzeichnung auf Büttenpapier (mit Wasserzeichen). Das runde Bildfeld ist mit dem Bleistift umrissen, zudem hat das Blatt eine rechteckige Umrandung aus dickem Bleistiftstrich. Während die Hauptgruppe aus Elisabeth und Maria mit Feder und Pinsel voll ausgearbeitet ist, zeigen sich Zacharias, rechts hinter Elisabeth stehend, und Josef, als Dreiviertelfigur links hinter Maria zu sehen, deutlich weniger detailreich. Architektur und Bäume im Hintergrund sind schließlich nur noch schematisch erkennbar. Vor Elisabeth und Zacharias ist zudem ein schmiedeeisernes Treppengeländer angedeutet. Der Umhang des verschattet dargestellten Zacharias hat einen leicht roten Farbton.

Die Zeichnung lässt sich stilistisch bestens mit den vier Entwurfszeichnungen[5] von Puchner für den Kongregationssaal im ehemaligen Bruderschaftshaus zur Schmerzhaften Muttergottes in Neuburg an der Donau (heute Provinzialbibliothek bzw. Staatl. Bibliothek) vergleichen, die 1732 oder kurz vorher im Zusammenhang mit der dortigen Freskenausstattung entstanden sein dürften. Neben grundsätzlichen Übereinstimmungen beim Federduktus fallen Parallelen bei der mehrfach in der Farbintensität abgestuften Lavierung, bei den Physiognomien und, besonders hervorstechend, bei der Klei-dung auf. So findet sich der weiche, etwas schwere Faltenwurf der Gewänder von Maria und Elisabeth sowie das im Widerspruch dazu stehende, unruhig und geradezu scheckig wirkende Spiel von Licht und Schatten auch auf den Entwürfen für Neuburg – vor allem bei den Hauptfiguren. Hingegen fällt bei beschatteten Nebenfiguren die flächige, wenig differenzierte Lavierung ins Auge.

Abb. 3: Carlo Maratta, Radierung „Mariä Heimsuchung“
Abb. 3: Carlo Maratta, Radierung „Mariä Heimsuchung“

Als Vorlage für Puchners Entwurf zur „Heimsuchung“ diente eine themengleiche Radierung (Abb. 3) des römischen Malers Carlo Maratta (1625–1713) oder einer der zahlreichen Nachstiche, die von verschiedenen Stechern angefertigt wurden.[6] Jedoch übernahm Puchner Marattas Darstellung nicht völlig unverändert. Sind die Figuren Marias, Elisabeths und Zacharias´ nur leicht variiert, so fallen bei Josef größere Veränderungen auf. Die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth ist nun auf eine wesentlich stärker ansteigende Treppe verlegt. Treppe und Figuren sind bei Puchner außerdem in leichter Untersicht wiedergegeben, um den Erfordernissen der Deckenmalerei gerecht zu werden. Ohne Bedeutung für Puchner blieb Marattas Bildhintergrund – hier bediente er sich anderer Vorbilder.

In welcher Beziehung steht die Zeichnung nun zum Fresko „Mariä Heimsuchung“ in Fischbachau? Zunächst fällt auf, dass die rechte Gruppe mit Maria, Elisabeth und Zacharias nahezu unverändert ins Fresko übernommen wurde, auch bei der Treppe zeigen sich im Grunde keine wesentlichen Veränderungen. Josef ist nun jedoch, auch in anderer Körperhaltung dargestellt, weiter nach links gerückt, eine Dienerin, die Gepäck auf dem Kopf trägt, ist an seine Seite gestellt. Auf der Zeichnung ist Josef neben dem mit der Feder gezeichneten Josef in derselben Körperhaltung wie im Fresko ein zweites Mal zu erkennen, allerdings nur grob mit dem Bleistift skizziert, während die Dienerin noch völlig fehlt. Das Motiv von Josef mit der Dienerin dürfte auf eine themengleiche Radierung (Abb. 4) von Johann Georg Bergmüller (1688–1762) aus dessen Rosenkranz-Serie zurückgehen .[7]

Auch der im Fresko zu sehende Hund ist auf der Zeichnung – direkt unter Maria und Elisabeth – nur mit dem Bleistift umrissen. Bäume und Mauer des Bildhintergrundes finden sich ähnlich im Fresko wieder, der Dreiecksgiebel ist allerdings weiter nach rechts, hinter die beiden Frauen verschoben. An seine Stelle ist ein Berg gerückt, der als Anspielung auf die alpine Berglandschaft um Fischbachau gedeutet werden kann.

Abb. 4: Johann Georg Bergmüller, Radierung „Mariä Heimsuchung“, um 1722/23
Abb. 4: Johann Georg Bergmüller, Radierung „Mariä Heimsuchung“, um 1722/23

All diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass es sich bei der vorliegenden Zeichnung um einen Erst- bzw. Vorentwurf für das Fresko in Fischbachau handelt. Möglicherweise wurde sie bereits mehrere Jahre vor dem Auftrag für Fischbachau – als Vorlagenmaterial für künftige Arbeiten – auf Vorrat angefertigt. Ebenso wie andere Maler dürfte auch Puchner einen größeren Bestand von Vorlagenblättern – Kupferstiche, eigenhändige und fremde Zeichnungen usw. – in seiner Werkstatt verwahrt haben. Als nun das Fresko für Fischbachau zu entwerfen war, konnte er auf diese Zeichnung zurückgreifen, um sie zu ergänzen bzw. zu verändern, wie es mit dem Bleistift erfolgte, und dabei zusätzliche Elemente aus anderen Vorlagen einzuarbeiten. Die ebenfalls mit dem Bleistift aufgezeichnete Quadrierung deutet auf eine Übertragung in ein anderes Medium oder Format hin. Sie ist allerdings nicht deckungsgleich mit der in den Putz geritzten Quadrierung beim Fresko. So wird es wohl noch einen vollständig ausgearbeiteten Ausführungsentwurf auf Basis der vorliegenden Zeichnung gegeben haben, der dann außerdem die endgültige Rahmenform des Freskos berücksichtigte.

Abb. 5: Melchior Puchner, Bleistiftzeichnung, 1737 oder früher, Privatbesitz

Übrigens verdient auch die Rückseite des Blattes (Abb. 5) Beachtung, denn diese zeigt einen Ausschnitt aus einer mit dem Bleistift skizzierten größeren Komposition, die sich bisher nicht mit einem konkreten Werk von Puchner in Verbindung bringen lässt. So sind in der Mitte mehrere Engel dargestellt. Unten rechts ist eine bärtige männliche, unten links eine weibliche Figur zu erkennen. Beide sind allerdings abgeschnitten, woran zu erkennen ist, dass das ursprünglich größere Blatt nachträglich, wohl nachdem die „Heimsuchung“ auf der Vorderseite gezeichnet war, beschnitten wurde.

Bedeutung

Insgesamt beruht die Bedeutung dieses Blattes nicht nur auf der Verwendung als Entwurf bzw. Vorlage, sondern vor allem darauf, dass sich interessante Erkenntnisse zur Arbeitsweise und Entwurfstätigkeit von Melchior Puchner gewinnen lassen.

Außer in Fischbachau malte Puchner das Thema „Mariä Heimsuchung“ bereits um 1733 in Hilpoltstein und 1752 nochmals in Gosseltshausen. Er stellte es jeweils in einer unterschiedlichen Variante dar. Für Gosselshausen wählte er einen themengleichen Kupferstich nach Peter Paul Rubens (1577–1640) als Vorlage.[8]

Literatur

  • Bauer, Markus und Epple, Alois: Johann Georg Bergmüller – Druckgrafik, Teil 2: Serien, Band 1, Norderstedt 2022 (Bauer/Epple 2022)
  • Bachter, Falk und Bauer-Wild, Anna u.a.: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland – Die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach (Bd. 2), München 1981 (Corpus 1981)
  • Sauerländer, Brigitte und Volk-Knüttel, Brigitte: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland – Landkreis Neuburg-Schrobenhausen (Bd. 10), München 2005 (Corpus 2005)
  • Bauer-Wild, Anna und Böhm, Cordula u.a.: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland – Stadt Ingolstadt, Landkreis Pfaffenhofen (Bd. 14), München 2010 (Corpus 2010)
  • Breuer, Tillmann und Oswald, Friedrich u.a.: Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern I, Franken, München/Berlin 1999 (Dehio 1999)

  • Habel, Heinrich und Hemmeter, Karlheinz u.a.: Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern IV, München und Oberbayern, München/Berlin 2006 (Dehio 2006)
  • Hofmann, Siegfried: Zum Werk Ingolstädter Freskenmaler der 18. Jahrhunderts, in: Sammelblatt d. Historischen Vereins Ingolstadt 1973 (82), Ingolstadt 1973, S. 156–183 (Hofmann 1973)

Fußnoten

  1. Corpus 2010, S. 269.
  2. zum Werk von Puchner: Corpus 2010, Dehio 1999, Dehio 2006, Hofmann 1973, S. 156–175.
  3. Corpus 1981, S. 472.
  4. vgl. Corpus 1981, S. 493f.
  5. München, Staatl. Graph. Slg., Inv.-Nr. 7326–7329, abgebildet in: Corpus 2005, S. 211.
  6. Corpus 1981, S. 494.
  7. vgl. Bauer/Epple 2022, S. 257ff., Nr. Se 7.3.
  8. Corpus 2010, S. 210.

Empfohlene Zitierweise

Bauer, Markus: Melchior Puchner. Hrsg. v. Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt. 2023 (Stadtgeschichtslexikon). Online verfügbar unter https://stadtgeschichtslexikon.ingolstadt.de/wiki/Melchior_Puchner (Version vom 14.12.2023), zuletzt geprüft am 06.12.2025.

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