Universität Ingolstadt
Beitrag von Stephanie Righetti-Templer
Von 1472 bis 1800 befand sich in Ingolstadt die erste Bayerische Landesuniversität. Sie war über 300 Jahre lang eines der wichtigsten Bildungszentren in Bayern. An der Universität lehrten etliche berühmte Professoren und Wissenschaftler.
Die Gründung der ersten Bayerischen Universität in Ingolstadt

Mit einer päpstlichen Stiftungsbulle erhielt Herzog Ludwig der Reiche im Jahr 1459 von Papst Pius II. die Erlaubnis zur Gründung einer Universität. Der Herzog löste das Ingolstädter Pfründnerhaus, eine von Ludwig dem Bärtigen gegründete fromme Stiftung für Bedürftige, auf, um mit den Einnahmen der Pfründner- und Psaltristenstiftung den Lehrbetrieb zu finanzieren. Das Haus nutzte er als Hauptgebäude der Universität, die „Hohe Schule“.[1] Papst Paul II. genehmigte 1471 zudem weitere Quellen zur Finanzierung wie zum Beispiel aus Pfarreien sowie aus Bettelordensklöstern, die ihre Besitztümer der Universität übergaben.[2]
Mit der Universitätsgründung erhob Ludwig der Reiche Ingolstadt zum geistigen Mittelpunkt seines Herzogtums. Die Entscheidung für Ingolstadt war gut durchdacht, denn im Umkreis von 150 Kilometern gab es keine weitere Universität. Aus diesem Einzugsgebiet kamen die meisten Studenten. Mit der Gründung schuf sich Ludwig eine unabhängige Ausbildungsstätte für Verwaltung und Kirche. Die neue Bildungsinstitution trug entscheidend zum Ansehen Bayerns als Kulturland bei. Ludwig und seine Nachfolger bemühten sich um die besten Lehrer, sie nahmen aber auch Einfluss auf die Bildungsinhalte.[3]
Universität als Institution
Die Basis für die Organisation der Universität bildeten die Gründungsurkunde sowie die Statuten.[4] Die Stiftungsurkunde aus dem Jahr 1472 ist nicht mehr überliefert, allerdings sind uns spätere Abschriften erhalten.[5] Die allgemeinen Statuten der Universität und die fakultätsspezifischen bildeten das Fundament des universitären Betriebs. Allerdings wurden diese häufig reformiert und den aktuellen Bedürfnissen angepasst.[6]
Das zentrale Organ war das Konzil, auch Consilium generale, das sich aus Doktoren und Lizientiaten der juristischen, medizinischen und theologischen Fakultät sowie den Magistern der Artistenfakultät zusammensetzte. Das Consilium wählte einen Rektor, das höchste Amt innerhalb des Universitätsgefüges. Der aus dem Kreise der Professoren gewählte Rektor leistete dem Landesherrn zu Beginn seiner Amtszeit einen Eid. Ihm wurde ein Vizerektor an die Seite gestellt. Als erster Amtsinhaber ist Christoph Mendel überliefert. Das Amt des Kanzlers wurde vom Eichstätter Bischof besetzt, dem damit die geistige Aufsicht oblag. Die Studenten unterstanden der Rechtsprechung des Rektors: Er setzte bei Zuwiderhandlung die Strafen fest, die meist der Pedell ausführte. Dieser fungierte als ausführende Kraft an der Seite des Rektors. Oftmals war er gleichzeitig als Notar beschäftigt, der für den Schriftverkehr der Universität verantwortlich war. Die Verwaltung des Universitätsvermögens übernahm die Kammer.[7] Zur Universität zählten alle in die Matrikel eingeschriebenen Personen z. B. auch Familienangehörige, Buchdrucker, Apotheker, Kosthalter und Tanzmeister. Sie waren von Steuern, Abgaben und Diensten befreit, unterstanden einer eigenen Satzung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit.[8]
Georg der Reiche war Sohn und Nachfolger von Ludwig dem Reichen und der letzte Landshuter Herzog. Im Jahre 1494 stiftete er ein Stipendiatenkolleg, das Collegium Georgianum. Ganz im Sinne seines Vaters unterstützte er damit die Ausbildung junger Gelehrter in seinem Reich. Der Herzog ermöglichte mit der Stiftung auch begabten Männer aus ärmeren Verhältnissen, ein Studium zu absolvieren.[9]
Fakultäten und Studium
Nach Wiener Vorbild war die Universität Ingolstadt in vier Wissenschaftsgebiete gegliedert: die Artistenfakultät, die theologische, die juristische und die medizinische Fakultät. Gewöhnlich begannen die Studenten ihr Studium an der Artistenfakultät, an der die traditionellen Studienfächer der „Sieben Freien Künste“ gelehrt wurden: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Mit dem erfolgreichen Abschluss des Grundstudiums war der Student, der nun den Titel Magister Artium trug, verpflichtet, anschließend zwei Jahre lang an der Universität zu unterrichten. Ebenso hatte er nun die Möglichkeit, an einer der drei sogenannten höheren Fakultäten Theologie, Jura oder Medizin zu studieren.[10]
Studenten aus Ingolstadt durften in den elterlichen Wohnungen bleiben, allerdings bestand für auswärtige Scholaren in den ersten Jahrzehnten nach der Universitätsgründung der sogenannte „Bursenzwang“. Das bedeutete eine Wohnpflicht in Einrichtungen, die einem Studentenheim glichen. In Ingolstadt sind zwar keine Bursen mehr erhalten, allerdings lassen sich in den Quellen elf Bursen belegen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts trugen Kolleggründungen, Pestepidemien, Kriege und andere Gründe zum Verfall des Bursenwesens bei.[11]
Bis in das 20. Jahrhundert unterstanden alle Universitätsangehörigen der Gerichtsbarkeit der Universität. Das Einsperren straffälliger Studenten in den universitätseigenen „Karzer“ gehörte zu den üblichen Maßnahmen. 2019 wurde bei Renovierungsarbeiten ein Karzer in den Räumlichkeiten des damaligen Georgianum entdeckt. Er ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft einer der ältesten Karzer Deutschlands. In den Wänden befinden sich diverse eingeritzte Namen von Studenten, die mit den Eintragungen in den Matrikelbüchern übereinstimmen. Daraus lässt sich auf eine früheste Nutzung des Karzers ab 1547 schließen. Der Karzer des Georgianums wurde bis in das 18. Jahrhundert genutzt.[12]
Humanismus und Reformation
An der eben gegründeten Universität bezog man zwar die traditionellen Inhalte der mittelalterlichen Scholastik in den Unterricht mit ein, aber die neuen humanistischen Strömungen, welche die Bildung und die Wissenschaften grundlegend reformierten, waren dominierend. Bahnbrechend innovative und wissenschaftlich herausragende Forschungsarbeiten sind an der Universität zu verorten. Die Strahlkraft ihrer Lehren und ihrer zahlreichen Veröffentlichungen zeigt den Einfluss der berühmten Wissenschaftler an der Ingolstädter Universität wie zum Beispiel Konrad Celtis, Johannes Reuchlin, Peter und Philipp Apian, Johannes Aventinus und Christoph Scheiner – die Liste ließe sich noch lange fortführen.[13]
Auch der Theologieprofessor und zeitweise Vizekanzler Johannes Eck machte sich um die humanistische Reform an der Universität verdient. Bedingt durch seine Gegenposition zu Martin Luthers Ablassthesen, die in der Leipziger Disputation gipfelte, entwickelte sich die Universität bis zu Ecks Tod im Jahr 1543 zu einem intellektuellen Zentrum der katholischen Gegenreformation. Auf Initiative Ecks wurden alle Lehrer, die mit Luthers Lehren sympathisierten, ausgewiesen. Dadurch verlor die Hochschule einige ihrer besten Professoren.[14]
Die Jesuiten in Ingolstadt

Nach dem Tod des hochverdienten Theologieprofessors Johannes Eck im Jahre 1543 entstand an der Universität ein Vakuum. Zudem erschwerten eine schwere Pestepidemie sowie der Schmalkaldische Krieg es, neues Lehrpersonal nach Ingolstadt zu holen. Die Herzöge Wilhelm IV. und Albrecht V. sprachen den Jesuiten weitgreifende Befugnisse an der Universität zu, um weiterhin die Lehre garantieren zu können.[15]
Ignatius de Loyola, der Gründer des noch jungen Jesuitenordens, schickte im Jahr 1549 drei verdiente Mitglieder nach Ingolstadt: Petrus Canisius, Claudius Jayus und Alphons Salmeron, die zunächst an der theologischen Fakultät unterrichteten. Allerdings waren die Ordensbrüder mit den logistischen Möglichkeiten in Ingolstadt unzufrieden. Da der Bau des versprochenen Kollegs auf sich warten ließ, war der Ausbau eines umfassenden Ausbildungsbetriebes beschränkt, weshalb die Jesuiten die Stadt 1573 wieder verließen. Die Situation an der gesamten Universität und im Besonderen an der theologischen Fakultät verschlechterte sich zunehmend, was schließlich Herzog Albrecht V. zum Bau des gewünschten Jesuitenkollegs bewegte, der im Jahr 1576 endgültig fertiggestellt werden konnte. Herzog Wilhelm V. verfügte 1588 endgültig, dass die Jesuiten neben ihrer Lehrtätigkeit an der theologischen Fakultät auch die Artistenfakultät übernehmen sollten, um die Studenten bestmöglich auf das folgende Theologiestudium vorzubereiten. Die enge Verbindung zu den Herzögen brachten den Jesuiten viele Privilegien ein, daraus resultierte aber auch eine anhaltende Gegnerschaft zu den übrigen Professoren.[16]
Ingolstadt in der Zeit der Aufklärung
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts musste sich der universitäre Betrieb den modernen höfisch-aristokratischen Bildungsvorstellungen beugen. Besonders gefragt war das Studium der kaiserlichen und geistlichen Rechte, da Staats- und Kirchendienst die besten Aufstiegsmöglichkeiten versprachen. Ein Zugeständnis an Studienwünsche des Adels war die Einführung von „Kavaliers-Fächern“ im 17. und 18. Jahrhundert.[17]
Obwohl die Jesuiten den intellektuellen Entwicklungen der Zeit offen gegenüberstanden, konnte Ingolstadt nicht mit den innovativen Bildungsmodellen und Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel an den Universitäten Halle oder Göttingen konkurrieren.[18] Besonders bei der damals kleinen medizinischen Fakultät manifestierte sich der Wunsch nach Innovation. Die Ausstattung und die räumlichen Kapazitäten reichten für die angestrebten experimentellen Lehr- und Forschungsmethoden nicht mehr aus. Professor Johann Adam Morasch setzte den Bau eines eigenen Gebäudes, dem Theatrum Anatomicum, sowie eines botanischen Gartens durch.[19]
Mit dem Regierungsantritt Kurfürsts Max III. Joseph wurden weitgreifende Reformen möglich. Er ernannte Johann Adam Freiherr von Ickstatt zum Universitätsdirektor und ranghöchsten Professor der juristischen Fakultät der Universität Ingolstadt. Zudem betraute er ihn damit, die Bayerische Landesuniversität wieder zu Ansehen zu verhelfen und neue Fächer sowie Lehrmethoden einzuführen.[20]
Die Universitätsverlegung nach Landshut
Im Laufe des 18. Jahrhunderts häuften sich die Diskussionen über eine mögliche Verlegung der Universität. Aufgrund militärischer Einquartierungen mangelte es an Wohnungen. Die Auflösung des Jesuitenordens und der Skandal um den in Ingolstadt gegründeten Illuminatenorden warfen kein gutes Licht auf den damaligen Standort. Als sich 1799 französische Truppen der bayerischen Grenze näherten, befahl Kurfürst Maximilian IV. Joseph die vorläufige Verlegung der Universität nach Landshut, da Ingolstadt als Landesfestung ein wichtiges militärisches Ziel darstellte. Die Verlegung wurde am 21. April 1802 als endgültig erklärt, obwohl der Umzug noch nicht vollständig abgeschlossen war. Im Mai erhielt die Universität schließlich den Namen, den sie noch heute führt: Die „Ludwig-Maximilians-Universität“.[21]
Fußnoten
- ↑ Schuh (2017).
- ↑ Ettelt (1992). S. 333. und Schuh (2017).
- ↑ Ettelt (1992). und Reinhardt (2000). Siehe ebenfalls Hofmann (2000). S. 738-748. und Hofmann (2006). S. 557-560.
- ↑ Siehe dazu Ettelt (1992). S. 334-335.
- ↑ Ebd. S. 334.
- ↑ Siehe dazu ausführlich Hofmann (2006). S. 570-580.
- ↑ Ettelt (1992). S. 335-338.
- ↑ Hofmann (2000). S. 750-751. und Reinhardt (2000). S. 75.
- ↑ Hofmann (2006). S. 777-780. Siehe dazu auch Schönewald (2018).
- ↑ Reinhardt (2000). S. 82-83. und Hofmann (2000). S. 753-758.
- ↑ Reinhardt (2000). S. 78. und Hofmann (2000). S. 767-769.
- ↑ Willberg (2022). S. 48–49.
- ↑ Hofmann (2006) S. 589-591. und Schuh (2017).
- ↑ Ebd. und siehe dazu ausführlich Hofmann (2006) S. 666-681.
- ↑ Schuh (2017).
- ↑ Hofmann (2006). S. 506-512. und S. 749-761.
- ↑ Reinhardt (2000) S. 89.
- ↑ Schuh (2017).
- ↑ Hofmann (1995) S. 14-15.
- ↑ Schuh (2017).
- ↑ Reinhardt (2000). S. 119.
Quellen
Erdglobus von Mercator, Sammlung Stadtmuseum. Zentrum Stadtgeschichte 1746
Elektrisiermaschine, Sammlung Stadtmuseum. Zentrum Stadtgeschichte 2459
Tönerne Figurenfragmente, Bildplatten, Ofenkacheln mit Gelehrtendarstellungen, Archäologische Ausgrabungen. Zentrum Stadtgeschichte A6800
Literatur
- Ettelt, Beatrix: Gründung der Universität. In: Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut. 1392 - 1506; Glanz und Elend einer Teilung; Ausstellung des Stadtarchivs …; [Ausstellung des Stadtarchivs, 20. September 1992 bis 22. November 1992]. Ingolstadt 1992, S. 333–340.
- Hofmann, Siegfried: Das Gebäude. Geschichte und Architektur. In: Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt. 2. Aufl. Braunschweig 1995, S. 10–21.
- Hofmann, Siegfried: Geschichte der Stadt Ingolstadt. Von den Anfängen bis 1505. Ingolstadt 2000.
- Hofmann, Siegfried: Geschichte der Stadt Ingolstadt. 1506-1600. Ingolstadt 2006.
- Reinhardt, Kay: Die Universitätsstadt Ingolstadt. In: Geschichten & Gesichter. Ingolstadt - vom Werden einer Stadt; [Bildband zur Ausstellung Ingolstadt - vom Werden einer Stadt, Geschichten & Gesichter, 5. Mai bis 3. September 2000 im Klenzepark in Ingolstadt]. Ingolstadt 2000, S. 69–119.
- Schönewald, Beatrix (Hrsg.): Georgianum. Ein Ingolstädter Baudokument im Strom der Zeit: eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Ingolstadt. Ingolstadt 2018.
- Schuh, Maximilian: Universität Ingolstadt (1472-1800). Historisches Lexikon Bayerns. 2017. Online verfügbar unter http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Universität_Ingolstadt_(1472-1800), zuletzt geprüft am 16.10.2023.
- Willberg, Eva: Der Karzer des Georgianums. In: Zentrum Stadtgeschichte (Hrg.): Stadt und Student. Bayerns erste Landesuniversität: Ausstellungskatalog zum 550-jährigen Jubiläum 19. Juni bis 2. Oktober 2022: Stadtmuseum Ingolstadt. Ingolstadt 2022, S. 48–49.
Empfohlene Zitierweise
Righetti-Templer, Stephanie: Universität Ingolstadt. Hrsg. v. Zentrum Stadtgeschichte Ingolstadt. 2024 (Stadtgeschichtslexikon). Online verfügbar unter https://stadtgeschichtslexikon.ingolstadt.de/wiki/Universit%C3%A4t_Ingolstadt (Version vom 18.01.2024), zuletzt geprüft am 06.12.2025.